Veranstaltungen 2015

Reinhard Kaiser-Mühlecker

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: David Winkler-Ebner

In seinen fünf bisher erschienen Romanen hat Reinhard Kaiser-Mühlecker ein großes Epos der menschlichen Schuld geschrieben. In seinem aktuellen Erzählband Zeichnungen verdichtet er die existentiellen Fragen: Wie wird der Mensch schuldig? Wie verketten sich Verfehlungen, Verschweigen, Gerüchte und Lügen zu einer Lebensgeschichte? Und ist jeder unausweichlich in sein vorgezeichnetes Schicksal verstrickt? Ein ängstlicher Verrat, eine Bösartigkeit, ein perfider Freundschaftsdienst lösen ein Unheil aus, das lange nachwirkt. Mit großer poetischer Kraft erzählt Kaiser-Mühlecker von der Sehnsucht, den alten Geschichten und der Vergangenheit zu entkommen und ein eigenes, freies Leben zu beginnen.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Drei Erzählungen. S.Fischer Verlag 2015

W. G. Sebald

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Uwe Schütte

„Ich habe einen Horror vor allen billigen Formen der Fiktionalisierung. Mein Medium ist die Prosa, nicht der Roman.“ (W. G. Sebald)

W. G. Sebald ist einer der anerkanntesten und zugleich umstrittensten Schriftsteller der deutschsprachigen Literatur des späten 20. Jahrhunderts. Sein vielgerühmtes literarisches Werk ruht auf einem Fundament, das weitenteils kaum bekannt ist, nämlich die im Verlauf von rund 30 Jahren entstandenen kritischen Schriften. Uwe Schüttes umfangreiche Studie Interventionen bietet daher einen Überblick der literaturkritischen Arbeiten Sebalds, unter Einbezug zuvor unveröffentlichter Archivdokumente. Die Studie legt anschaulich dar, wie sich Sebalds eigenwillige Literaturkritik – von der Magisterarbeit über Carl Sternheim bis zum polemischen Essay über Luftkrieg und Literatur – entwickelt hat. Zugleich skizziert Schütte mit seinem Buch die intellektuelle Biografie des vom Allgäu in die Provinz East Anglias entlaufenen Germanisten. Vor allem aber zeichnet Interventionen nach, wie Sebald im kritischen Widerspruch zu Germanistik und deutscher Nachkriegsliteratur selbst zum Schriftsteller wurde.

social freezing — Biologische Befreiung oder ökonomischer Zwang?

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Doris Eibl

Anna Bergmann und Gertraud Klemm im Gespräch.

Die Entnahme von unbefruchteten Eizellen und deren Konservierung durch Einfrieren war bisher als Möglichkeit für junge Krebspatientinnen gedacht: Junge Frauen können sich Eizellen entnehmen lassen, um zu einem späteren Zeitpunkt die Chance zu haben, ein eigenes Kind zu bekommen. Was bisher aus rein medizinischen Gründen praktiziert wurde, etwa vor einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung, erscheint nun unter dem Begriff „social freezing“ in einer neuen Dimension: Frauen können sich etwa auch aus karrieretechnischen Gründen entscheiden, ihre Eizellen einzufrieren und zu einem für sie geeigneten Zeitpunkt darauf zurückgreifen. Durch das Angebot von Firmen wie Facebook oder Google, ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren ihrer Eizellen zu finanzieren, damit sich diese auf ihre Karriere konzentrieren können, fand „social freezing“ Einzug in die öffentliche Debatte. Das [ Montagsfrühstück ] möchte sich der Frage stellen, ob die Praxis des „social freezing“ die Emanzipation von Frauen von biologischen und gesellschaftlichen Zwängen vorantreibt und tatsächlich Wahl- und Entscheidungsfreiheit über ihre Karriere-, Lebens- und Familienplanung ermöglichen könnte. Oder ist diese Praxis ein weiterer Schritt der Verfügbarmachung des (weiblichen) Körpers und der Unterwerfung unter die Mechanismen eines kapitalistischen Arbeitsmarktes, auf dem ökonomisch sehr potente Firmen zunehmend in jene Bereiche eingreifen, die bislang als privat galten?

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung
für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Joseph Zoderer’s Dauerhaftes Morgenrot

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Ulrike Tanzer

Präsentation des ersten Bandes der Werkausgabe Joseph Zoderer, 
Lesung des Autors und ein Einblick in seine Werkstatt.

Joseph Zoderer, Johann Holzner, Verena Zankl

Lukas ist einer, der stets getrieben ist und doch nie ankommt. Seine Frau bringt ihn dazu, sie zu verlassen – wohlwissend, dass er zurückkommen wird. Er reist in die fremde Stadt am Meer, die andere Frau zu suchen, die andere Liebe. Doch noch während er sich der Erfüllung seiner Sehnsucht nähert, zeigt sich: Vielleicht ist die Sehnsucht selbst schon ihre Erfüllung. Dauerhaftes Morgenrot erzählt davon, dass Liebe nur möglich ist, wenn das Sehnen nicht aufhört.


Dauerhaftes Morgenrot ist der Auftakt zu einer Edition der Werke Joseph Zoderers im Haymon Verlag. In Zusammenarbeit mit Johann Holzner und dem Brenner-Archiv werden die Romane, Erzählungen und Gedichte in Einzelbänden neu aufgelegt. Jeder Band wird durch ein Nachwort sowie Materialien aus dem so genannten „Vorlass“ des Autors ergänzt.


Zoderers Vorlass wurde 2007 von der Südtiroler Landesregierung angekauft und dem Brenner-Archiv zur Verwahrung und Erschließung übergeben. Seit 2012 beschäftigt sich ein Forschungsprojekt mit dem Autor und seinem Werk. Informationen unter: www.uibk.ac.at/brenner-archiv/projekte/zoderer/

 

In Kooperation mit Brenner-Forum und Haymon Verlag

Marlene Streeruwitz’s Nachkommen

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Gabriele Wild

Kampf der Generationen

Zwei der aufsehenerregendsten Neuerscheinungen des vergangenen Bücherherbstes wurden von Marlene Streeruwitz geschrieben: „Ich kritisiere nicht. Ich lehne ab.“, sagt Nelia Fehn, Marlene Streeruwitz’ Romanheldin aus Nachkommen in ihrem ersten Fernsehinterview.

Nelia Fehn spricht über ihr Romandebüt Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland, das auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht. Ihr Erstling handelt vom frühen Tod ihrer Mutter, von ihrer Liebe zu ihrem griechischen Freund Marios und davon, wie weder Trauer noch Liebe einen Platz in der Welt haben. Auf der Frankfurter Buchmesse trifft Nelia Fehn im Zuge der Verleihung des Deutschen Buchpreises auf einen Literaturbetrieb, der nur noch sich selbst inszeniert. Sie findet sich an den Forderungen einer Kultur gemessen, die von den Generationen vor ihr schon immer preisgegeben war. Nachkommen ist eine Roman über die Ordnung der Generationen und wie sie durch Gier und Vernachlässigung außer Kraft gesetzt wird.

Markus Bundi und Alois Hotschnig

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Martin Sailer

Annäherungen an das Werk Alois Hotschnigs

„Das so genannte wirkliche Leben wird einem durch keinen Erzähler erklärend beschrieben, warum sollte das in einem Text-Leben anders sein, denke ich, und aus diesem Grund habe ich in einigen meiner ,Erzählungen‘ auf einen Erzähler verzichtet.“(Alois Hotschnig)

In seinem vielfältigen Prosawerk erprobte Alois Hotschnig bereits unterschiedlichste Formen des vielstimmigen Erzählens. Fraglos ist Hotschnigs Prosa in die zeitgenössische Literatur eingebettet, zugleich aber besticht sie durch eine Eigenständigkeit, die virtuos und poetisch in einem ist. Markus Bundi untersucht in seinem Essay Vom Verschwinden des Erzählers die Erzähltechniken Alois Hotschnigs. Es geht um die Instanzen des Erzählens, um die Erzählstimme, insbesondere aber darum, wie sich Geschichten erzählen lassen, sodass diese zu den Geschichten der Leserinnen und Leser werden. Sich einem Schriftsteller wie Alois Hotschnig an die Fersen heften, heißt zugleich, sich zu verlieren, sich selbst einen Weg zu bahnen – und das gilt für den Autor des Essays wie für die Leserinnen und Leser gleichermaßen. Das Verstricktsein in Geschichten ist uns allen gemein, Versäumnisse und Fragen stehen in einem prekären Verhältnis zueinander – wie im „wirklichen Leben“.

Markus Bundi und Alois Hotschnig sprechen an diesem Abend über die Möglichkeiten des Erzählens, den verschwindenden Erzähler und über Zugänge zum Werk Alois Hotschnigs. Die Schauspielerin und Hotschnig-Interpretin Julia Gschnitzer liest dazu aus den Texten.

Markus Bundi: Vom Verschwinden des Erzählers. Ein Essay zum Werk von Alois Hotschnig. Haymon 2015

In Kooperation mit 8tung Kultur

Saša Stanišic´

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Thomas Wegmann

Den Mittelunkt von Saša Stanišic´s Roman Vor dem Fest bildet ein Dorf, ein fiktives Dorf irgendwo in der ostdeutschen Provinz. Dieses Dorf wird zum schillernden Schauplatz einer ganzen Reihe eigenwilliger Figuren, aber auch zum Sammelplatz alter Chroniken und Legenden, von Wirtshausslang und Lokalnachrichten, Heimatgesang und Familiengeschichten. Die Sagen, Märchen und Geschichten fügen sich zu einem Mosaik des Dorflebens, in dem Alteingesessene und Zugezogene, Verstorbene und Lebende, Handwerker, Rentner und edle Räuber in Fußballtrikots aufeinandertreffen. Sie alle möchten etwas zu Ende bringen, in der Nacht vor dem Fest … Hat der aus Bosnien-Herzegowina stammende Autor damit eine kunstvolle Sammlung von Geschichten über „die letzten nicht globalisierten Deutschen“ (DIE ZEIT) geschaffen?

Greta Elbogen

Ort: Literaturhaus am Inn

Konstantin Kaiser liest an diesem Abend aus Greta Elbogens Gedichtband Gott spielt verstecken / God plays hide and seek sowie aus Herbert Kuhners Smoke and Fire / Rauch und Feuer und Trude Krakauers Niewiederland.

Im Anschluss an die Lesung wird Greta Elbogen, die auf Einladung des Jewish Welcome Service in Österreich ist, mit Konstantin Kaiser über die Bedeutung des Gedichts für ihr Leben und ihre Arbeit sprechen.

Greta Elbogen: Gott spielt verstecken / God plays hide and seek. Gedichte. Band 6 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2015

Herbert Kuhner: Smoke and Fire / Rauch und Feuer. Band 3 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2014
Trude Krakauer: Niewiederland. Band 2 der Lyrikreihe Nadelstiche. Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2013

In Kooperation mit der Theodor Kramer Gesellschaft

Europa: Zwischen Utopie und „Zerfall“?

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Christina Antenhofer

Anton Pelinka im Gespräch mit dem/der Innsbruck-liest Autor/in.

„Europa ist eine Utopie des Friedens, der ökologischen und sozialen Gerechtigkeit in der globalisierten Welt“, meinte der Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit in einem Interview, kurz vor den jüngsten EU-Wahlen. Eine Utopie, die den Traum nach einer anders denkenden und funktionierenden Gesellschaft miteinschließt. Doch wie sollte eine derartige europäische Gesellschaft aussehen? Zu bedenken ist bei diesen Fragen, dass diese „Utopie des Friedens“ nicht nur durch die jüngsten politischen Ereignisse (Stichwort: Ukraine) in die Ferne zu rücken scheint, sondern dass sie auf einem labilen ökonomischen Fundament beruht, das in globaler Perspektive alles andere als „sozial gerecht“ ist: Der Wohlstand Europas verdankt sich nicht (nur) einer spezifischen „Kultur“, sondern auch Prozessen einer globalisierten Wirtschaft, die Produktion in Billiglohnländern verschiebt, wo die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern keine Ausnahme ist. Zudem bedrohen Prozesse des Finanzkapitalismus das komplexe ökonomische Gefüge Europas. Beim [ Montagsfrühstück ] wollen wir nicht zuletzt die Frage diskutieren, in welche Richtung sich Europa momentan bewegt.

Es diskutieren der Politikwissenschaftler Anton Pelinka und der/die diesjährige Innsbruck-liest Autor Jonas Lüscher der am 8. April von der Stadt Innsbruck präsentiert wird.

 

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Katharina Geiser

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Ulrike Tanzer

Der Ursprung des Romans Vierfleck oder Das Glück liegt in der Begegnung Maya Rauchs mit Katharina Geiser. Maya Rauch erzählte der Autorin vor einigen Jahren von den Briefen ihres Vaters Heinrich Zimmer an ihre Mutter Mila Esslinger-Rauch. Nach Maya Rauchs Tod, wurde Katharina Geiser beauftragt, Maya Rauchs Hinterlassenschaft zu sichten und zu archivieren. Es entstand eine literarische Auseinandersetzung mit den Briefen und Materialien, der Roman Vierfleck oder Das Glück: Es ist die Geschichte eines Mannes, der einiges gewinnt und alles verliert. Eugen Esslinger, Sohn eines Miederwarenfabrikanten, lebt zunächst von seinem ererbten Vermögen, ist homosexuell und heiratet Mila Rauch, mit der er drei Kinder hat. Deren Vater aber ist er nicht. Seine Frau hat eine lebenslange Beziehung mit dem berühmten Indologen Heinrich Zimmer. Dieser ist mit Christiane von Hofmannsthal verheiratet, der Tochter des großen Dichters. Auch wenn Eugen Esslinger hinter allen anderen verschwindet, steht er in diesem Roman im Mittelpunkt, als ein Mensch, der viel liebt, der früh verlernt, sich zu behaupten und der in seinem Leben wie in den Leben derer, mit denen er es teilt, selten mehr ist als eine Nebenfigur. Und der in dem einen entscheidenden Moment nicht da ist, um jemanden zu retten …

Es sind vier Jahrzehnte deutscher Geschichte (1900–1944), die in diesem Roman lebendig werden, vor allem, und das ist die große Kunst seiner Autorin, in den Details, abseits der Hauptsachen und der Hauptfiguren.

Katharina Geiser: Vierfleck oder das Glück. Roman. Jung und Jung 2015

Mit Unterstützung von Pro Helvetia. Schweizer Kulturstiftung