social freezing — Biologische Befreiung oder ökonomischer Zwang?

Ort: Literaturhaus am Inn

Moderation: Doris Eibl

Anna Bergmann und Gertraud Klemm im Gespräch.

Die Entnahme von unbefruchteten Eizellen und deren Konservierung durch Einfrieren war bisher als Möglichkeit für junge Krebspatientinnen gedacht: Junge Frauen können sich Eizellen entnehmen lassen, um zu einem späteren Zeitpunkt die Chance zu haben, ein eigenes Kind zu bekommen. Was bisher aus rein medizinischen Gründen praktiziert wurde, etwa vor einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung, erscheint nun unter dem Begriff „social freezing“ in einer neuen Dimension: Frauen können sich etwa auch aus karrieretechnischen Gründen entscheiden, ihre Eizellen einzufrieren und zu einem für sie geeigneten Zeitpunkt darauf zurückgreifen. Durch das Angebot von Firmen wie Facebook oder Google, ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren ihrer Eizellen zu finanzieren, damit sich diese auf ihre Karriere konzentrieren können, fand „social freezing“ Einzug in die öffentliche Debatte. Das [ Montagsfrühstück ] möchte sich der Frage stellen, ob die Praxis des „social freezing“ die Emanzipation von Frauen von biologischen und gesellschaftlichen Zwängen vorantreibt und tatsächlich Wahl- und Entscheidungsfreiheit über ihre Karriere-, Lebens- und Familienplanung ermöglichen könnte. Oder ist diese Praxis ein weiterer Schritt der Verfügbarmachung des (weiblichen) Körpers und der Unterwerfung unter die Mechanismen eines kapitalistischen Arbeitsmarktes, auf dem ökonomisch sehr potente Firmen zunehmend in jene Bereiche eingreifen, die bislang als privat galten?

Eine Kooperation zwischen Literaturhaus am Inn und der Abteilung
für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck

Klemm, Gertraud

geboren 1971 in Wien, aufgewach­sen in Baden, studierte Biolo­gie; mehrere Stipen­di­en und Förder­preise, zulet­zt Irseer Pega­sus 2014 sowie den Pub­likum­spreis beim Inge­borg-Bach­mann-Wet­tbe­werb 2014. Pub­lika­tio­nen: Herzmilch (2014), Aber­land (2015, bei­de: Droschl).

Bergmann, Anna

geboren 1953, apl. Pro­fes­sorin an der Euopa-Uni­ver­sität Viad­ri­na in Frank­furt / Oder, lehrt Medi­zin- und Kul­turgeschichte. Zahlre­iche Buch­pub­lika­tio­nen (Auswahl): Der entseelte Patient. Die mod­erne Medi­zin und der Tod (2004, über­arb. 2. Aufl. 2015, Auf­bau-Ver­lag), Über­leben zu welchem Preis? Das Men­sch­en­ex­per­i­ment Trans­plan­ta­tion­s­medi­zin (2015).