Blog von Clemens Berger

Blog von Clemens Berger. Folge 8: Die ewige Schande des Sebastian Kurz

Mitte März wurde bekan­nt, dass es die gute alte Kur, die neben Aufen­thal­ten an ruhi­gen Orten mit Parks, Eich­hörnchen und Ther­mal­bädern auch das unvergessliche Wort „Kurschat­ten“ gebar, dem­nächst nicht mehr geben werde. Peter McDon­ald von der ÖVP hat­te dem pro­fil schon im August 2015 erk­lärt: „In Öster­re­ich haben wir eine sehr aus­geprägte Vol­lka­­sko-Men­­tal­ität. Mit Gesund­heit wird schlechter umge­gan­gen wie [sic!] mit einem Auto: Viele wollen qua­si in die Werk­statt fahren und repari­ert wieder her­auskom­men – nach dem Mot­to: Ich muss nicht auf meine Gesund­heit schauen, der Staat oder die Sozialver­sicherung wird es schon für mich richt­en. Wir wollen das so ändern, dass den Men­schen bewusst wird, dass man für seine Gesund­heit auch selb­st etwas tun muss – und wir als Sozialver­sicherung müssen diesen Prozess opti­mal unter­stützen.“ Das neue Mod­ell heißt nun „Gesund­heitsvor­sorge Aktiv“: „Die Maß­nahme ist Teil der Pläne zur Anhebung des fak­tis­chen Pen­sion­santrittsalters. Ziel ist die Erhal­tung der Erwerb­s­fähigkeit und die Ver­längerung der gesun­den Leben­s­jahre.“ Auf welchem Teil des let­zten Satzes die Emphase liegt, kann man sich denken.

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Blog von Cle­mens Ber­ger. Fol­ge 7: Neben uns die Sintflut

Es ist mit Türk­bis­blau ein wenig wie mit Don­ald Trump: Noch schüt­telt man ungläu­big den Kopf über den let­zten Irrsinn, als schon der näch­ste auf der Tage­sor­d­nung ste­ht. Steuergeschenke für Reiche, Fam­i­lien­boni, von denen wohlhaben­dere Haushalte stärk­er prof­i­tieren als ärmere und arme, eine Son­dere­in­heit zur Bekämp­fung von Straßenkrim­i­nal­ität, die unter Führung eines FPÖ-Poli­tik­ers eine Razz­ia im Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung durch­führt, wobei sie Fest­plat­ten mit Dat­en über Verdächtige — und zufäl­lig auch über recht­sex­treme Aktiv­itäten und Akteure, die Verbindun­gen zu den Frei­heitlichen haben oder haben kön­nten — spiegelt, Aus­sagen, Vorschläge und täglich bedauern­swerte Einzelfälle, die einen ein ums andere Mal fas­sungs­los zurück­lassen. In diesen Tagen ste­hen die türk­is­blauen Min­is­terin­nen und Min­ster dann mit ern­sten und betrof­fe­nen Mienen bei diversen Gedenkver­anstal­tun­gen an den soge­nan­nten Anschluss, verurteilen Nation­al­sozial­is­mus, Faschis­mus, Anti­semitismus, Demokratiev­er­ach­tung und Intol­er­anz in Bausch und Bogen und wieder­holen ein ums andere Mal mit entschlosse­nen Blick­en, der­gle­ichen dürfe sich niemals wiederholen.

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Blog von Cle­mens Ber­ger. Fol­ge 6: Über­kon­stru­ier­te Geschichte

Weit nach rechts gerück­te Kon­ser­v­a­tive schließen eine Koali­tion mit ein­er Recht­en, die sich zur Schutzher­rin der soge­nan­nten kleinen Leute stil­isiert. Dafür opfern diese ihre Hal­tung zu einem in der Bevölkerung höchst unpop­ulären Frei­han­delsabkom­men und jene ihre Hal­tung zum Nich­trauch­er­schutz. Ein junger Mann, der im Wahlkampf nicht nur die Farbe der Öster­re­ichis­chen Volkspartei, son­dern gle­ich auch ihren Namen ändert, indem er ihn durch seinen eige­nen erset­zt und die Partei zur Bewe­gung erk­lärt, wird von Parteigranden mit leuch­t­en­den Augen ange­him­melt und zum Ret­ter erko­ren. Der Führer der Recht­en trägt nun­mehr Brille, um staatsmän­nis­ch­er zu wirken, seine Klei­dung zitiert tra­di­tionelle Tra­cht­en. Er wird Vizekan­zler und Min­is­ter für Sport und Beamte. Der pro­pa­gan­dis­tis­che Strip­pen­zieher der Recht­en, der über Jahrzehnte die wider­lich­sten Wahlkampf­parolen ausheck­te, wird Innen­min­is­ter und Herr über Polizei und Geheim­di­en­ste. Der knapp gescheit­erte Präsi­dentschaft­skan­di­dat der Recht­en wird Infra­struk­tur­min­is­ter; als erstes denkt er laut über die Aufhe­bung des Rechtsab­biegens bei Rot nach. Wäre er, wie angedacht, Außen­min­is­ter gewor­den, hät­ten Bun­de­spräsi­dent und Außen­min­is­ter einan­der auf Flü­gen zu Staats­be­suchen bere­its bestens gekan­nt. Die Beset­zung der Min­is­te­rien sowie die Tat­sache, dass das Innen­min­is­teri­um doch nicht in Heimatschutzmin­is­teri­um umge­tauft wurde, wer­den als Erfolg des Bun­de­spräsi­den­ten und Ver­hin­derung des Schlimm­sten gew­ertet. Während die neue Regierung Maß­nah­men ein­leit­et, welche die sozialen Gegen­sätze ver­schär­fen, und bein­hart die Inter­essen ein­er kleinen ökonomis­chen Elite ver­tritt, ereifern sich die Bürg­erin­nen und Bürg­er über die geplante Rück­nahme des total­en Rauchver­bots in Lokalen.

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Blog von Clemens Berger Folge 5: Das Kreuz mit dem Penis

Das Land ist dumm. Dieses Land als Land, und das Land im Ver­gle­ich zur Stadt. Man kon­nte es am Son­ntag wieder in Tirol sehen.

Wenn man das sagt, und wir sagen es gele­gentlich aus Verzwei­flung, wird man der Über­he­blichkeit und des Hochmuts geziehen. Man schätze Demokratie und demokratis­che Wahlen nur dann, wenn einem das Ergeb­nis genehm sei. Man ver­achte also die Demokratie und den freien Willen der Wäh­ler. Das ste­ht in wüten­den Post­ings auf der Face­­book-Seite Stra­ches und in den Leser­brief­seit­en der Kro­ne. So ähn­lich, naturgemäß gelassen­er und his­torisch weit­er aus­holend, argu­men­tierte unlängst auch Kon­rad Paul Liess­mann in ein­er Diskus­sion mit Doron Rabi­novi­ci. Das Unbe­ha­gen an der Demokratie, von dem heute gesprochen werde, beste­he, seit es Demokratie gebe, und die Diag­nose ihrer Krise sei genau­so alt wie die Demokratie selbst.

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Blog von Clemens Berger Folge 4: Land, Volk, Begehren

DAS BEGEHREN DES VOLKES

Es war ein bizarres Schaus­piel, als Sebas­t­ian Kurz und Heinz-Chris­t­ian Stra­che erst­mals nach Koali­tion­ss­chluss im neuen Regierungssender Öster­re­ich TV auf­trat­en. Ein­trächtig und lächel­nd saßen sie nebeneinan­der, während der feiste Wolf­gang Fell­ner seine gewohnt harten Schme­ichel­fra­gen stellte. Wahlkampf sei Wahlkampf, sagten bei­de unisono, da sage man Sachen in ein­er Schärfe, in der man sie üblicher­weise nicht unbe­d­ingt sage. Zumal sie, sagten bei­de unisono, einan­der noch nicht gekan­nt hät­ten, jet­zt aber, da sie einan­der in lan­gen Vier­au­genge­sprächen ken­nen und schätzen gel­ernt hät­ten, sei all das Schnee von gestern. Unver­wandt räumten bei­de ein, dass die neue Volkspartei ihren Stand­punkt in der Frage des Rauchver­bots und die Frei­heitlichen den ihren in der Frage des Frei­han­delsabkom­mens CETA habe aufgeben müssen. Das sei nun ein­mal das Wesen ein­er Koali­tion, sagten bei­de unisono, da müsse man Kom­pro­misse schließen.

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Blog von Clemens Berger Folge 3: Abu Kickl

Dass die Frei­heitlichen, zumal in Regierungsver­ant­wor­tung, nichts gegen Juden haben, wis­sen wir. Sind sie doch selb­st, wie Stra­che vor sechs Jahren sagte, die neuen Juden. Zudem sind sie, wie Stra­che und Co. sagen, die Speer­spitze gegen den neuen Anti­semitismus, also gegen jenen importierten, der mit den vie­len Moslems kommt, ohne die der Anti­semitismus längst von der öster­re­ichis­chen Scholle ver­schwun­den und höch­stens in manchen spezialdemokratis­chen Kellern noch vir­u­lent wäre.

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Blog von Clemens Berger Folge 2: Der Mann im Schlafsack

Als ich unlängst nach Wien zurück­kam, standen meine Nach­barn, ein Ehep­aar im Ruh­e­s­tand, mit ein­er anderen Nach­barin vor dem Hau­sein­gang. Der Ein­gang führt zur ersten Stiege und in einen Innen­hof, an dessen Ende die zweite Stiege liegt. Ich grüßte sie. Als ich weit­er wollte, fragten sie mich, ob ich den Mann gese­hen hätte, der seit einiger Zeit hier, gle­ich hin­ter dem Ein­gang an der Wand, in einen Schlaf­sack gehüllt liege. Das Haus­tor ist üblicher­weise ab neun Uhr abends versper­rt, Gegen­sprechan­lage gibt es keine. Ich war zwei Wochen in Jena gewe­sen. Nein, sagte ich, aber man kön­nte ja das Käl­tetele­fon der Car­i­tas anrufen. Die bei­den, die üblicher­weise sehr fre­undlich und hil­fs­bere­it sind, und die Dame, die ich nur vom Sehen kenne, blick­ten mich ent­geis­tert an. Den müsse man fotografieren — und das Foto der Polizei schick­en! Das sei ja ein Wahnsinn! Der schlafe ein­fach hier! Ich drehte mich um und ging. Willkom­men zuhause, dachte ich. mehr lesen

Blog von Clemens Berger Folge 1: Karriere und Ressentiment

„Schweigen der Läm­mer“ von Man­fred Deix

Im Schweigen der Läm­mer zitiert Han­ni­bal Lecter den in Wien gestor­be­nen Marc Aurel: „Bei jedem einzel­nen Ding die Frage, was ist es in sich selb­st? Was ist seine Natur?“ Auf Türkis und Blau umgelegt, fällt die Antwort leicht: Kar­riere und Ressen­ti­ment im Zeichen des Kapitalismus.

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