Veranstaltungen 2005

Lange Nacht der Museen

Ort: Literaturhaus

Spätlese - Wanderung durch Orte und Zeiten

Lange Nacht der Museen: Brenner-Archiv und Literaturhaus laden ein

20 Uhr: Führung durch die Bestände mit Eberhard Sauermann

20 Uhr 30: Barock total! Toni Bernhart liest aus Hirlanda (1791)

22 Uhr: Führung durch die Bestände mit Johann Holzner

22 Uhr 30: Nachtlesung mit Eleonore Bürcher aus Fernando Pessoas Buch der Unruhe

Dazwischen, davor und danach: "Brenner-Köpfe". Video-Installation von Anton Unterkircher

Herbstbuffet - Wein, Brot und Früchte

Hirlanda. Durch falschheit zu feir verdamte unschuld ist ein Legendenspiel nach der Laaser Handschrift von 1791. Der Autor Toni Bernhart hat es ediert und 1999 im Folio Verlag herausgegeben. Eine der wildesten und schönsten Blüten der barocken Bilderflut des Katholizismus im Alpenraum, spielt das Trauerspiel über die Fürstin Hirlanda 1550 in der nordfranzösischen Stadt Rennes. Die bretonische Fürstin Hirlanda wird in Abwesenheit ihres Gatten Fürst Artus verleumdet, muss fliehen, verbirgt sich als Schafhirtin, wird schließlich zum Feuertod verdammt und dann natürlich gerettet. Unterdessen tanzen die Teufel ihren Höllentanz, um der Seelen der Verdammten habhaft zu werden, der englische König will mit dem Blut kleiner Kinder sein Leben retten. Unter dem Himmel, wo Christus mit seligen Seelen heilige Zwiesprache hält, wird weiter gemordet.

Fernando Pessoa (1888-1935) ist nicht nur der Begründer der modernen Dichtung seines Landes, Portugal, sondern eine der Schlüsselfiguren in der Entwicklung der zeitgenössischen Dichtung überhaupt. Spät erst wurde sein umfangreiches Werk ediert. Das Buch der Unruhe erzählt vom Hilfsbuchhalter Bernardo Soares, und es wird darin die eigentümlich nachtwandlerische Spannung wach, die den Grat zwischen Traum und Märchen bezeichnet. "In der Kunst gibt es keine Enttäuschung, weil die Täuschung von Anfang an inbegriffen war."Pessoa hat diese Verwandlungsfähigkeit in allen seinen Prosa- und Gedichtbüchern immer wieder variiert. Als er 1935 starb, hinterließ er eine Truhe voll von Manuskripten, mehr als zwanzigtausend Seiten. Vieles blieb Fragment, wie sein Leben selber. Aber aus den Fragmenten stiegen seine Figuren, seine Heteronyme hervor: "Ich vervielfachte mich, um mich zu fühlen."

Domenico Starnone: Via Gemito (Haymon)

Ort: Literaturhaus

Moderation: Michael Forcher

Lesung auf Deutsch: Klaus Rohrmoser

Eine Veranstaltung im Rahmen der 5. Woche der italienischen Sprache in Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut und dem Italien-Zentrum der Universität Innsbruck

Domenico Starnone erzählt in seinem Roman Via Gemito von seinem Vater, der zwischen seinem Brotberuf als Eisenbahner und seiner Berufung zum Künstler hin- und hergerissen wird, und taucht dabei in seine Kindheit ab. Vieles kommt dabei zur Sprache: Evakuierung im Krieg, Not und Überlebenskampf bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit, dunkle Geschäfte, soziale Strukturen und das bunt-faszinierende Leben in Neapel, Zusammenhalt und Streit in einer süditalienischen Großfamilie. Gleichzeitig ist es auch ein Werk über das Wesen der Kunst, über die Bedeutung und den "Wert" von Kunstwerken sowie dem Schaffensprozess kleiner Meister und großer Genies. Via Gemito, ausgezeichnet mit Italiens höchstem Literaturpreis, dem Premio Strega, wurde von Gerhard Kofler übersetzt.


Eine Veranstaltung im Rahmen der 5. Woche der italienischen Sprache in Kooperation mit dem italienischen Kulturinstitut und dem Italien-Zentrum der Universität Innsbruck.

Matineé für Walter Schlorhaufer

Ort: ORF kulturhaus tirol

Ein Großer der Literatur in Tirol feiert seinen 85. Geburtstag: Der Arzt und Autor Prof. Dr. Walter Schlorhaufer. In einer gemeinsamen Veranstaltung von Brenner Archiv und Literaturhaus mit dem kulturhaus tirol des ORF wird dem Poeten mit Texten und akustischen Begegnungen Referenz erwiesen. Laudatio: Prof. Johann Holzner.

Rut Bernardi und Modern Times Trio

Ort: Exlkeller im Gasthaus Löwenhaus, Rennweg

Gedichte und Musik.

Rut Bernardi belebt die lange in Vergessenheit geratene Gattung des Sonettenkranzes wieder und erweckt in ihnen den kraftvollen intensiven Klang der ladinischen Sprache zu neuem Leben. Die Lesung der Sonette in Ladinisch mit sinngemäßer deutscher Übersetzung durch die Autorin wird umrahmt von musikalischen Kompositionen von Eduard Demetz.

Das Modern Times Trio wurde 1999 mit dem Ziel gegründet, neue Klang- und Stilmöglichkeiten zu schaffen. Das Repertoire des Ensembles umfasst nicht nur Originalwerke des 20. Jahrhunderts, sondern auch Transkriptionen und in Auftrag gegebene Werke zeitgenössischer Komponisten. Besetzung: Alexandra Pedrotti (Klarinette), Konrad Pichler (Saxophon), Michele Giro (Klavier).

Elisabeth Reichart

Ort: Literaturhaus

Moderation: Renate Giacomuzzi

liest aus Das Haus der sterbenden Männer (Otto Müller).

Am Anfang steht ein Haus an der Donau mit seiner langen Geschichte, in dem jetzt Viktoria mit ihren Gästen und deren Betreuerinnen lebt. Die Gäste sind reiche Männer, die sich hier zum Sterben zurückziehen. Das Haus ist von einem Teich umgeben, bewachsen mit Schilf, das ihre Großmutter an den Ufern des Stromes ausgrub und hierher verpflanzte, als Schutz gegen böse Blicke. Ein friedliches Sterben, ein fast idyllischer Ort, in den Antonia kommt, die einst aus Prag flüchtete und die Viktoria während ihres Studiums in Wien kennen lernte. Antonia ist eine leidenschaftliche Lügnerin, die darauf besteht, sich ihre eigene Identität und Realität zu erfinden. Viktoria ist fasziniert von diesem spielerischen Lebensentwurf, ohne dessen Zerbrechlichkeit vorerst wahrzunehmen. Aufgewachsen hier wie dort mit Verdrängung und Lüge wird der überraschend gewaltsame Tod eines Gastes zum Wendepunkt für beide Frauen.

Christoph Pichler

Ort: Literaturhaus

Moderation: Bernhard Sandbichler

liest aus Onkel Norberts denkwürdiger Nachmittag (Schöffling & Co 2005)

[Neuerscheinungen aus Tirol]

Christoph Pichlers Erzählungen ereignen sich dort, wo Phantasie und Realität einander berühren. Sie handeln von der Kraft der Imagination, die zerstören aber auch neue Möglichkeiten eröffnen kann. Was ist Wirklichkeit, was ist Traum? Es bedarf nur eines Nachsatzes, einer scheinbar nebensächlich eingeschobenen Bemerkung, und die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung.

Gudrun Seidenauer

Ort: Literaturhaus

liest aus Der Kunstmann (Residenzverlag 2005)

Man weiß mittlerweile schon ziemlich genau, wie einer zum Nazi wird. Aber wie verlernt man einer zu sein? Eisner ist nicht der, der er zu sein vorgibt. Als hochrangiger Mitarbeiter der SS-Organisation "Ahnenerbe" heißt er Josef Engler. 1945 schafft er sich als Josef Eisner eine neue, humanistischen Prinzipien verpflichtete Identität. Er wird zum angesehenen Literaturwissenschaftler, der unter Ausschluss der persönlichen Geschichte die mörderischen Irrtümer seines ersten Lebens korrigieren will. Als der Betrug auffliegt, sucht sein ehemaliger Assistent Roland Klement nach Antworten.

Was bedeutet es, misstrauen zu müssen? Wohin führt es einen, der gelernt hat, die Dinge auf Abstand zu halten, wenn ihn sein Leitbild und Förderer radikal enttäuscht? Was bleibt, wenn sich die Lebensgeschichten nicht mehr zusammenfügen lassen, wenn die Annahmen, in denen man es sich eingerichtet hat, nicht mehr gelten und die Flucht in schnelle Urteile ebenso unmöglich wird wie ein Fazit?

Josef Leitgeb

Ort: Literaturhaus

Christian und Brigitte (Tyrolia Verlag 2005) Buchpräsentation. Johann Holzner und Daniela Rummel-Volderauer über das Buch, anschließend Lesung

[Schätze aus dem Brenner-Archiv]

Christian und Brigitte, erstmals 1936 und nun als fünfter Band der Gesammelten Werke im Tyrolia Verlag erschienen, ist ein Zeitroman, ein Liebesroman, auch ein Heimatroman. Anders aber als in der Heimatliteratur der dreißiger Jahre, in der, weil sie dem Strom der Zeit nicht ausweicht, alles Widerständige zurückgedrängt, verfolgt, ausgelöscht wird, bleibt in diesem Roman das Widerständige hartnäckig präsent.

Anhand der erhaltenen Manuskripte und Briefe im Nachlass Leitgebs wird im Anhang der Entstehungsprozess nachgezeichnet, der wegen der Interventionen des Lektors Max Tau zu einem von Leitgeb ungeliebten "bürgerlichen Happy End" führte. Das Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität wird untersucht: Es gibt starke autobiographische Einflüsse, viele der auftretenden Figuren konnten historisch nachgewiesen werden, der Handlungsort ist - obwohl nie genannt - unschwer als Schwendt zu erkennen, wo Leitgeb 1922/23 als Volksschullehrer unterrichtet hat.

Adalbert Stifter

Ort: Literaturhaus

Moderation: Waltraud Fritsch-Rößler

Das sanfte Gesetz und die unsanfte Natur in Stifters Erzählungen
Vortrag mit Alfred Doppler

Stifter will "das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird." Doch dieses Wollen führt nicht, wie man lange Zeit geglaubt hat, zu einer idyllischen, biedermeierlichen Darstellung des Menschen, es führt vielmehr zu einer Konfrontation von sanftem Wachstum und Naturkatastrophen, von heiterer Gelassenheit und dem Ausbruch unkontrollierter Leidenschaften. Dieser beunruhigende Gegensatz ist ein Grundthema der Stifterschen Erzählungen. Alfred Doppler wird in seinem Vortrag die Aktualität "des sanft-unheimlichen, leise-großartigen Dichters" darstellen, den Thomas Mann als "einen der merkwürdigsten, hintergründigsten und wunderlich packendsten Erzähler der Weltliteratur" bezeichnet hat.
Alfred Doppler, geboren 1921, war u.a. von 1971-91 als Professor für österreichische Literatur an der Universität Innsbruck tätig. Bücher: u.a. Die Lyrik Georg Trakls (2001); Geschichte im Spiegel der Literatur (1992); Der Abgrund des Ichs (1985); Herausgeber der Historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe Adalbert Stifters.