Gudrun Seidenauer

Ort: Literaturhaus

liest aus Der Kunstmann (Residenzverlag 2005)

Man weiß mittlerweile schon ziemlich genau, wie einer zum Nazi wird. Aber wie verlernt man einer zu sein? Eisner ist nicht der, der er zu sein vorgibt. Als hochrangiger Mitarbeiter der SS-Organisation "Ahnenerbe" heißt er Josef Engler. 1945 schafft er sich als Josef Eisner eine neue, humanistischen Prinzipien verpflichtete Identität. Er wird zum angesehenen Literaturwissenschaftler, der unter Ausschluss der persönlichen Geschichte die mörderischen Irrtümer seines ersten Lebens korrigieren will. Als der Betrug auffliegt, sucht sein ehemaliger Assistent Roland Klement nach Antworten.

Was bedeutet es, misstrauen zu müssen? Wohin führt es einen, der gelernt hat, die Dinge auf Abstand zu halten, wenn ihn sein Leitbild und Förderer radikal enttäuscht? Was bleibt, wenn sich die Lebensgeschichten nicht mehr zusammenfügen lassen, wenn die Annahmen, in denen man es sich eingerichtet hat, nicht mehr gelten und die Flucht in schnelle Urteile ebenso unmöglich wird wie ein Fazit?

Seidenauer, Gudrun

geboren 1965 in Salzburg, Studi­um der Ger­man­is­tik und Roman­is­tik, Lehrerin für Deutsch, Lit­er­atur und kreatives Schreiben, lebt in Adnet. Bish­er erschienen: apfel und aug — 49 ana­gram­mgedichte (1996), wüsten­lieder (1999).

www.seidenauer.net/