Veranstaltungen 2012

Walter Grond

Ort: Literaturhaus

Moderation: Anna Rottensteiner

Triest: Begegnungsstätte der Kulturen, Epizentrum europäischen Geisteslebens, Sehnsuchtsort und Traumbild. Vor diesem Schauplatz entfaltet Walter Grond in seinem Roman Mein Tagtraum Triest eine Familiengeschichte, die im Jahr 1884 beginnt, als der Ingenieur Liborius Zeeman in Triest ankommt, um seinen Marinedienst anzutreten. Der eigentümliche Charme dieser Stadt, ihre Atmosphäre von Lebenslust und Melancholie, prägen sich tief in seine Familie ein und verströmen auch Generationen später noch einen unwiderstehlichen Reiz.

Aus einem kunstvollen Ineinander unterschiedlicher Perspektiven erzählt Walter Grond vom Träumen in eine andere Welt, von der Suche nach dem Fremden in sich selbst, und zeichnet ein schillerndes Bild der alten Triestiner Welt, frei von Nostalgie und voll kluger Ironie.

Selbstständige Publikationen (Auswahl): Almasy. Roman (2002), Drei Männer. Novelle (2004), Der gelbe Diwan. Roman (2009, alle: Haymon), Die Khedivin (2006, Unionsverlag).

Sabine Gruber

Ort: Vorplatz des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum

[ mitSprache 2012: Reden zur Situation ]

Hört hört – die Stimmen der anderen. Eine Suada

In Fortsetzung der Reihe österreichweiter Projekte unter dem Signet mitSprache wurden 2012 zehn österreichische Autorinnen und Autoren eingeladen, im Zeitraum Ende September bis Mitte Oktober 2012 an öffentlichen Orten Reden zu halten. Die Themen der Reden beziehen sich auf aktuelle Situationen in gesellschaftlicher, politischer oder künstlerischer Hinsicht.

Am Nationalfeiertag wird Sabine Grubers Rede über die zunehmend fehlende Empathie als Videoinstallation vor dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zu hören sein.

Autorenhomepages: narzisstische Selbstbespiegelung, Visitenkarte, Verlagswerbung oder privates Archiv?

Ort: Literaturhaus

Moderation: Elisabeth Sporer

Kathrin Passig und Gerlinde Tamerl im Gespräch

Verlage und AutorInnen haben das Internet als Instrument für ihre Vermarktung entdeckt und nützen es rege. Die eigene Homepage ist dabei das Herzstück, das je nach Interesse mehr oder weniger gepflegt und für verschiedene Zwecke (Werbung, Kommunikation, Instrument der Selbstverwaltung, Archiv) verwendet wird. In den letzten Jahren haben sich zusätzlich noch neuere Formen der Online-Vermarktung und Online-Inszenierung ins Gespräch gebracht, wie Facebook oder Twitter, die die herkömmliche Homepage verdrängen.

Im Montagsfrühstück diskutieren Gerlinde Tamerl, beim Innsbrucker Haymonverlag für die Presse verantwortlich, und die Schriftstellerin und Journalistin Kathrin Passig über die unterschiedlichen Überlegungen, die hinter Autorenhomepages stehen und die von kommerziellen Vermarktungsabsichten bis zu Möglichkeiten eines gesellschaftskritischen oder gar subversiven Umgangs mit neuen Medien reichen können. Elisabeth Sporer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am FWF-Projekt " Autorenhomepages. Ein Projekt zur Erfassung, Analyse und Langzeitarchivierung." am Institut für Germanistik, moderiert die Diskussion. Das Projekt lieferte die Motivation zu diesem Montagsfrühstück.

Kathrin Passig

Ort: Literaturhaus

Kathrin Passig gründete 2002 die Zentrale Intelligenz Agentur (ZIA), ein Netzwerk von Schriftstellern, Journalisten, Web-Designern, also von im weitesten Sinne im kreativen Bereich tätigen Menschen. Der Schwerpunkt der ZIA ist Berlin, ihre Mitglieder leben aber auch in anderen Teilen Deutschlands und der Welt. Der Name parodiert den Auslandsgeheimdienst der USA, die Central Intelligence Agency. In Berlin organisiert die ZIA regelmäßig ironische Kulturabende und betreibt außerdem das Weblog Riesenmaschine, das 2006 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde.

Kathrin Passig, geboren 1970 in Deggendorf, ist Journalistin und Schriftstellerin. Schreibt für die Berliner Zeitung und die taz. Im Jahr 2006 gewann sie den für ihre Erzählung Sie befinden sich hier den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Publikationen (Auswahl): Lexikon des Unwissens (mit Aleks Scholz; Rowohlt 2007); Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin(mit Sascha Lobo, Rowohlt 2008); Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene (mit Aleks Scholz, Rowohlt 2010); Das neue Lexikon des Unwissens (mit Kai Schreiber, Aleks Scholz, Rowohlt 2011).

www.zentrale-intelligenzagentur.de
kathrinpassig.kulturindustrie.com

Oswald von Wolkenstein – Lieder und Nachdichtungen von Hans Moser

Ort: Literaturhaus

Begrüßung: Rektor Tilmann Märk
Einführung: Max Siller

Oswald von Wolkenstein (1376 –1445) ist einer der bekanntesten und bedeutendsten Dichter des Mittelalters, ein glänzender Unterhalter und polyglotter Weltmann, dessen Lieder bis heute kaum an Frische verloren haben. Sein poetischer Sprachstil ist spielerisch, oft fragmentarisch und extrem verknappt, ein Telegrammstil, der mehr andeutet als ausführt und primär dem Sprachklang verpflichtet ist.

Schon in jungen Jahren wies Hans Moser diese Seite der Lyrik Oswald von Wolkensteins wissenschaftlich nach. Jetzt versucht er, sie ohne vordergründige Aktualisierung im Neuhochdeutschen nachzubilden. Noch nie wurden dem heutigen Leser diese Gedichte in einer so zeitgemäßen und musikalischen Sprache nahe gebracht: spannend, unterhaltsam und berührend, nah und fern zugleich.

Hans Moser, 1939 in Thiersee geboren, Studium der Germanistik, Geschichte, Romanistik und Philosophie an der Universität Innsbruck. Lektor für Civilisation allemande an der Universität Straßburg, Gastprofessur in Augsburg, ordentlicher Professor und langjähriger Rektor der Universität Innsbruck sowie der Fachhochschule Kufstein.

Hans Moser: Wie eine Feder leicht. Oswald von Wolkenstein – Lieder und Nachdichtungen. edition laurin 2012

Klaus Zeyringer

Ort: Literaturhaus

Moderation: Johann Holzner

Jedes Werk in deutscher Sprache als „deutsche Literatur“ zu bezeichnen, ist kultur- und literarhistorisch keineswegs haltbar. Die Geschichte eines Landes sowie dessen politische und kulturelle Eigenart schlagen sich in entscheidendem Maße auch in seiner Literatur nieder. Nicht anders verhält es sich mit der österreichischen Literatur. Oder um es mit den Worten Ingeborg Bachmanns zu formulieren: „Dichter wie Grillparzer und Hofmannsthal, Rilke und Robert Musil hätten nie Deutsche sein können.“

Beginnend mit den ersten deutlichen Äußerungen eines Öster-reich-Begriffes als staatspolitisches Konzept im 17. Jahrhundert bis herauf in die Gegenwart, liegt mit diesem Werk erstmals – in dieser literatursoziologisch fundierten Art – eine umfassende Geschichte der österreichischen Literatur vor. Klaus Zeyringer und Helmut Gollner erfassen Formen, Strukturen, Funktionen und Evolutionen des literarischen Lebens in Wechselbeziehung zu gesellschaftlichen Realitäten im Österreich der letzten 350 Jahre und geben erhellende Einblicke in die anerkannt wichtigen wie auch in weniger bekannte Werke.

Klaus Zeyringer, geboren 1953 in Graz,  ist Universitätsprofessor für Germanistik an der Université Catholique de l’Ouest, Angers / Frankreich, sowie Universitätsdozent an der Universität Graz. Literaturkritiker insbesondere für Der Standard, Volltext und Literatur und Kritik.

Klaus Zeyringer, Helmut Gollner: Eine Literaturgeschichte: Österreich seit 1650. StudienVerlag 2012

Anna Weidenholzer und Iris Wolff

Ort: Literaturhaus

Moderation: Anna Rottensteiner

In ihrem Roman Der Winter tut den Fischen gut entwirft Anna Weidenholzer behutsam und mit einem hellwachen Blick für das Absurde im Alltäglichen und das Alltägliche im Absurden ein Bild von einer Frau am Rande der Gesellschaft: Maria hat Zeit. So sitzt sie tagsüber oft auf einer Bank am Platz vor der Kirche, beobachtet das Treiben dort, ein Kommen und Gehen, Leute, die Ziele haben und wenig Zeit. Die arbeitslose Textilverkäuferin kennt sich mit Stoffen aus, weiß, was zueinander passt, was Schwächen verbirgt und Vorzüge betont. Alt ist sie nicht, sie steht mitten im Leben, vielleicht nur nicht mit beiden Beinen. Aber ihr Leben läuft trotzdem rückwärts, an seinen Möglichkeiten, Träumen und Unfällen vorbei. Anna Weidenholzer zeigt in ihrem Roman vor allem, was das heißt: Der Rand der Gesellschaft ist immer noch mitten im Leben. Und davon ist dieses Buch voll wie selten eines.

In ihrem Debütroman Halber Stein schreibt Iris Wolff über Sine, eine junge Frau, die nach Abschluss ihres Studiums auf der Suche nach ihrem beruflichen Weg ist und die nach über 20 Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt. Ihre Großmutter Agneta ist gestorben, und gemeinsam mit ihrem Vater Johann ist sie zu deren Begräbnis nach Siebenbürgen gereist. Das Haus der Großmutter zieht sie vom ersten Augenblick an in ihren Bann: das Gebäude mit seiner geheimnisvollen Architektur, dem vermauerten Eingang zur ehemaligen Familienfärberei, den verschiedenfarbigen Räumen, Winklen, Aufböden und Treppen erinnert sie an ihre Kindheit, die Zugehörigkeit zu Natur und Landschaft, das Spiel in Haus und Garten. In die Trauer mischt sich die Trauer über die verloren geglaubte Heimat. In poetischen Landschaftsbildern wird die Familiengeschichte Sines geschildert, die Orte und Menschen werden durch die große Sprachkraft mit allen Sinnen erlebbar.

Anna Weidenholzer: Der Winter tut den Fischen gut. Residenz 2012

Iris Wolff: Halber Stein. Otto Müller 2012

Natalja Kljutscharjowa und Ganna-Maria Braungardt

Ort: Literaturhaus

Moderation: Andrea Zink

Im Rahmen der „Woche der russischen Sprache, Geschichte und Kultur“, veranstaltet vom Institut für Slawistik in Zusammenarbeit mit dem Russlandzentrum der Universität Innsbruck und mit Unterstützung der Stiftung „Russkij mir“ (Moskau)

Russland, ein Land der Extreme: bitterste Armut in den abgehängten Provinzen, schamlos ausgestellter Reichtum in der Megametropole Moskau. Ein Land, in dem die Wut brodelt und junge Leute, revolutionär gestimmt sind. Sie sympathisieren mit den Zarenattentätern, befassen sich mit Bombenbau oder übersetzen Slavoj Žižek. So auch Nikita, der Protagonist in Natalja Kljutscharjowas Debütroman Endstation Russland. Er ist ein Petersburger Student, der zu Ohnmachtsanfällen neigt und den es, seit seine Freundin Jasja einem Geschäftsmann in die Schweiz gefolgt ist, nirgends mehr hält. Er fährt kreuz und quer durch das Land und gewinnt mit seinem Lächeln das Vertrauen wildfremder Menschen, die ihm in der Eisenbahn ihr Leben erzählen; Geschichten, die ihn aufwühlen und schließlich zum Handeln zwingen.

Natalja Kljutscharjowa, 1981 in Perm geboren, lebt in Moskau. Sie studierte in Jaroslawl und arbeitet als Redakteurin der Moskauer Zeitschrift Pervoe Sentjabrja, die sich mit Fragen der Erziehung und Bildung befasst. Sie lebt mit ihrer Familie in Abramzevo bei Moskau. Seit 2002 veröffentlicht sie Lyrik und Prosa. Ihr Roman Rossija: Obšcˇij vagon, erschienen 2006, wurde in 6 Sprachen übersetzt, ins Deutsche mit dem Titel Endstation Russland. 2012 erschien auf Deutsch ihr Roman Dummendorf.

Ganna-Maria Braungardt ist Übersetzerin von Ljudmila Ulitzkaja, Swetlana Alexijewitsch, Boris Akunin, Polina Daschkowa, Julia Kissina und anderen. Sie lebt in Berlin.

Natalja Kljutscharjowa: Endstation Russland. Roman. Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt. Suhrkamp 2010

Joachim Zelter

Ort: Literaturhaus

Moderation: Robert Renk

Hier ist er: Heinrich Manns Roman Der Untertan ganz anders, neu erzählt für unsere Zeit. Mit großem menschlichem Gespür erzählt Joachim Zelter, was längst überfällig war: die Entwicklungsgeschichte des modernen Untertanen in der Welt von heute, erzählt von der frühen Schulzeit bis zum Erwachsenenalter, von den Siebzigerjahren bis in die Jetztzeit. Ein Psychogramm, ein gesellschaftliches Sittengemälde individueller wie kollektiver Anpassung – und menschlicher Entfremdung. Unnachahmlich beschreibt Joachim Zelter das Zusammenspiel von Selbstverleugnung, Nicht-Sein und Aufgehen im Anderen, im Mächtigen und im geschichtlich Werdenden. Am Ende erzählt der Roman unser aller Geschichte: Wie wir zu dem geworden sind, was wir heute sind.

Joachim Zelter: untertan. Roman. Klöpfer & Meyer 2012

Roxana Nubert

Ort: Literaturhaus

In Kooperation mit dem Brenner-ForumDie Diktatur im Spiegel der Literatur: Surreale Bildlichkeit in Herta Müllers Romanen Herztier und Heute wär ich mir lieber nicht begegnet

In Herta Müllers Romanen Herztier (1994) und Heute wär ich mir lieber nicht begegnet (1997) werden die Macht- und Gewaltstrukturen in der Regierungszeit Nicolae Ceauescus in den Vordergrund gerückt. Sie stellen damit einen dokumentarischen Bericht über eine bedrückende Realität dar, die schmerzhaft präsent und fassbar wird. In beiden Texten entwirft die Autorin ein apokalyptisches Bild Rumäniens in der Zeit der kommunistischen Diktatur, wobei das entstellte Temeswar / Timioara den tragischen Hintergrund des Geschehens darstellt. Was für Lesende aus dem „Westen“ surreal erscheint, wird, so die These der Vortragenden Roxana Nubert, zum Ausgangspunkt einer kritischen Distanzierung dem diktatorischen System gegenüber.

Roxana Nubert, geboren 1953, Germanistin und Romanistin; seit 1996 Leiterin des Germanistiklehrstuhls an der Westuniversität Temeswar, Rumänien. Schwerpunkte: deutschsprachige Literatur im rumänischen Sprachraum, Mitteleuropa. Publikationen zuletzt: Mitteleuropäische Paradigmen in Südosteuropa – Ein Beitrag zur modernen Kultur der Deutschen im Banat (gemeinsam mit Ileana Pintilie Teleaga, 2006, Edition Praesens); Einführung in die literarische Moderne – Naturalismus und Jahrhundertwende 1900 (2008, Mirton Timioara)