Veranstaltungen 2004

Lesung mit Katja Oskamp und Antje Rávic Strubel

Ort: Literaturhaus

Moderation: Michael Klein

Mit frischem Ton erzählt Katja Oskamp Halbschwimmer (Ammann 2003) davon, wie ein waches Mädchen sich aussetzt, um sich aufgehoben zu fühlen, und dass auch junge Frauen durchaus etwas an älteren Männern finden können. Als einzige Tochter eines hohen NVA-Offiziers und einer Schuldirektorin hätte Tanja die besten Voraussetzungen dazu, ein Musterprodukt der DDR-Gesellschaft zu werden. Aber Tanja hat ganz anderes im Sinn: Sie sucht die Liebe. Und so nutzt sie jede Gelegenheit, das sozialistische Bilderbuchleben gegen andere, aufregendere Erfahrungen einzutauschen. Katja Oskamps Geschichten geben Einblick in eine Jugend während der realsozialistischen Spätphase.

In ihrem neuen Roman Tupolew 134 ( Beck 2004) erzählt Antje Rávic Strubel von einer Flugzeugentführung und der schwierigen Suche nach der Wahrheit. Dabei hat sie sich von einer realen Geschichte inspirieren lassen: 1978 wurde eine Tupolew 134 von zwei Bürgern aus der DDR auf dem Flug Danzig-Schönefeld nach West-Berlin entführt. Die Entführung war nicht geplant, sie war eine Art Übersprunghandlung zweier bei ihrer Republikflucht verratener Menschen. Antje Rávic Strubel erzählt eine Geschichte über Flucht, Verrat und Illegalität, über die politischen Konsequenzen dieser Tat, über den Wunsch, das alte Leben hinter sich zu lassen, und vom Unvermögen, vorgeprägten Lebensmustern zu entkommen, über Sehnsucht und die Vergeblichkeit von Liebe außerhalb der Konvention.

Lange Nacht der Museen

Ort: Literaturhaus

Gemeinsam mit dem Brenner-Archiv

Das Brenner-Archiv verwahrt etwa 150 Nachlässe vor allem von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, aber auch von Philosophen, Musikern und Künstlern.
Es macht Materialien, Dokumente und Manuskripte zugänglich, erstellt zuverlässige transkriptionen, gibt Editionen mit kulturwissenschaftlichen Kommentaren heraus, führt Forschungsprojekte durch, erstellt Publikationen in Buchform sowie in elektronischer Form.

19.00 Uhr - Führung durch die Sammlungen des Brenner-Archivs mit Eberhard Sauermann

20.00 Uhr - Julia Gschnitzer liest Texte aus den Nachlässen

21.00 Uhr - Anton Unterkircher: Video-Installation zu den Neuerwerbungen

21.30 Uhr -Barbara Hoiß, Verena Zankl, Sandra Unterweger: „Aus dem Weinhaus zu Sündenprumpfstätten“. Szenische Lesung zu Max Riccabona

22.00 Uhr - Lesung mit Bettina Galvagni

22.30 Uhr - Anton Unterkircher: Video-Installation zu den Neuerwerbungen

23.00 Uhr - Ulrike Lang: Grete Gulbranson in Innsbruck

Ursula Schneider, Annette Steinsiek: Zu Rudolf Stibill

Erika Wimmer liest Texte von Johannes E. Trojer

24.00 Uhr - Mitternachsführung durch die Sammlungen mit Johann Holzner

Musik: Harald Pröckl am Akkordeon - Herbstbuffet

 

Maria E. Brunner und Waltraud Mittich

Ort: Literaturhaus

Moderation: Irene Prugger

Maria Brunners Roman Berge Meere Menschen (Folio 2003) hat seinen Erinnerungsfokus in den Südtiroler Bergen, in einer bäuerlichen Welt, die feindlich sich selbst, feindlich den zugewanderten Italienern im Grenzland gegenüber ist. Und da gibt es den Einbruch der Fremden aus dem Norden, genannt Fremdenverkehr. Das Pflegekind ist auf der Flucht: in den Norden, in den Süden, ans Meer, in die Stadt auf der Insel, auf der Suche nach Befreiung. Den Schlusspunkt der Folge von Aufbruch und Ankunft bildet der Tod der Mutter, dort, wo die Reise begonnen hat, auf dem Berg.

Waltraud Mittichs Roman Berühren sie jedes erzählt die Geschichte der Kosmopolitin Dolly Meyer, Fotografin in New York, die nach 30 Jahren Abwesenheit in ihr Heimatdorf in die Grenzregion Südtirols zurückkehrt, dessen Enge sie als junge Frau zu entfliehen versuchte. Der Roman ist zugleich auch eine Geschichte von Krieg und Vertreibung, Flucht und Zwangsarbeit, von Militarismus und Männlichkeitskult, vom Aufeinanderprallen von Kulturen: der deutschsprachigen und der italienischen Kultur Südtirols ebenso wie der Kulturen von Männern und Frauen.

 

Werner Kofler

Ort: Literaturhaus

Moderation: Sigurd Paul Scheichl

Werner Koflers letzter Roman Kalte Herberge (Deuticke 2004) ist ein „grandioses Stück Prosa“ (Kastberger). Darin sind Handlungselemente und Gedankengeflechte zu einem eigenen, dichten Universum montiert. Nüchterne Bestandsaufnahmen, mit bösem Blick protokolliert, wechseln mit persönlichen Momenten, Erinnerungen und Monologen über Krankheit, Tod und das Schriftstellerdasein. Als Klassiker der österreichischen Gegenwartsliteratur gilt Werner Koflers Erstling Guggile. Vom Bravsein und vom Schweinigeln. Eine Materialsammlung aus der Provinz. (Deuticke 2004, Neuauflage). Und es ist auch allerhand Material, das er über eine Jugend in den fünfziger Jahren sammelt und zum Gesamtbild verknüpft: Dokumente, Aussprüche, Erziehungsmaximen, Zeitungsphrasen, alles, was das Herz begehrt. Seinerzeit nannte man das Buch „eine totale Autobiografie„ - auch deshalb, weil es die Autobiografie nicht nur des Autors, sondern vieler anderer ist.

Eröffnung mitSprache 2004

Ort: Landesmuseum Ferdinandeum

Literatur und Politik - Grenzüberschreitungen
Eröffnung der Veranstaltungsreihe, Vernissage und Lesung
- Installation "querdenken. Carl Dallago" von Verena Gollner
- Installation "kein teppich für den duce_zeigt her eure füße, zeigt her eure schuh" von Anna Maria Mackowitz, Gitti Schneider, Erika Wimmer
- Lesung mit Hans Raimund
- Anschließend lädt das Literaturhaus zum Buffet

 

"querdenken. Carl Dallago" - Die Rauminstallation ist dem in Vergessenheit geratenen Kulturphilosophen und Schriftsteller Carl Dallago, geboren 1869 in Borgo, gestorben 1949 in Innsbruck, gewidmet. Dallagos Bild eines Einzelgängers zeichnet sich durch sein eigenwilliges, oft sogar unverständliches und von Nietzsche beeinflusstes Gedankengut aus. Die Installation ist ein Versuch, Dallagos zentrale Themen, die um die Begriffe Natur, Kunst und Politik kreisen, darzustellen.
Verena Gollner, geboren in Linz, aufgewachsen in Innsbruck, Studium der Geisteswissenschaften. Seit 1998 Mitarbeiterin im Literaturhaus am Inn.


kein teppich für den duce__zeigt her eure füße, zeigt her eure schuh
Rauminstallation Bild : Text : Klang
Malerei: Gitti Schneider / Anna Maria Mackowitz
Hörstück: Erika Wimmer / ORF Studio Tirol

Geschichte ist nicht nur dort, weit zurück in der Vergangenheit oder bei den anderen. Die Installation eines Teppichs als Malerei mit Hörstück verweist auf einen skrupellosen Machthaber, sie ist aber mehr noch eine Aufforderung, die Geschichte zu begehen und die Gegenwart zu begreifen: spielerisch, der Wahrheit verpflichtet und erhellend. Eröffnet wird ein Raum, in dem beobachtet, registriert, assoziiert wird. Wer ist der "duce"? Wie ist sein Schritt? Was ebnet ihm den Weg? Und vor allem: Was wird der Macht geopfert? Das Gewebe aus Farben, Formen, Meinungen und Haltungen läßt die Grenzen zwischen Macht und Abhängigkeit verschwimmen. Stiefel oder Stöckel: Immer nur gehen die Schuhe mit uns, nicht wir mit den Schuhen.

Die beiden Malerinnen Anna Maria Mackowitz und Gitti Schneider und die Autorin Erika Wimmer waren 2003 Stipendiatinnen in Paliano bei Rom und haben dort das Projekt entwickelt.
Fotowerk Aichner und Tilmann Schneider haben die Installation während ihres Entstehens fotografiert, dazu eine zeitgleiche Ausstellung im Literaturhaus am Inn.

Mit der Lesung von Hans Raimund wird die "sprachliche" Grenzüberschreitung in den Mittelpunkt gerückt. Hans Raimund ist Autor und Übersetzer u.a. aus dem Italienischen, ein "poeta-traduttore". Aktuelle Übersetzungsprojekte: Essays und Gedichte von Sergio Solmi, Gedichte des Sizilianers Lucio Piccolo. Am Abend wird der Autor sowohl eigene als auch übersetzte Texte lesen und Einblick geben in sein Verhältnis zur italienischen Literatur.

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Japanische Übersetzungen aus dem Deutschen

Ort: Literaturhaus

Vortrag Christel Mahnke (Goethe-Institut München) Deutsche Literatur in Japan: Faust, Demian und Momo.

- willige Spenden

Welche Werke und Autoren der deutschsprachigen Literatur sind Japanern in Übersetzung zugänglich? Goethe ist den Gebildeten wohlvertraut, Hesse wird man in jeder größeren Buchhandlung finden, und Michael Ende wird von vielen Studenten der Germanistik als Lieblingsautor genannt. Viele Autoren der Gegenwart sind völlig unbekannt, andere nur durch das unermüdliche Engagement einzelner Übersetzer ein Begriff. Woran liegt dieser selektive Blick des japanischen Lesers? - Christel Mahnke leitet seit 1987 Bibliotheken der Goethe-Institute im Ausland. Von 1998 bis Mai 2002 war sie in Tokyo tätig, wo die Literatur- und Übersetzungsförderung zu den Schwerpunkten ihrer Tätigkeit gehörte. Zur Zeit leitet sie den Bereich Bibliothekskooperation und Planung in der Zentrale des Goethe-Institutes München und ist damit für die fachliche Betreuung des weltweiten Bibliotheksnetzes des Goethe-Institutes verantwortlich.

Literatur und Politik. Grenzüberschreitungen.

Ort: Literaturhaus

Podiumsdiskussion mit Marco Lodoli, Lidia Ravera, Josef Haslinger, Marianne Gruber. Moderation: Benedikt Sauer. Mit Übersetzung

Der Dialog zwischen italienischen und österreichischen AutorInnen im inhaltlichen Spannungsfeld zwischen Literatur, Politik, Demokratie, Verantwortung ist Gegenstand dieser Abendveranstaltung. Mit Sprache Mitsprache: Inwieweit ist literarisches Schreiben auch eine politische Tätigkeit? Ist Sprachkultur Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft? Wie definieren sich Autoren und Autorinnen verschiedener, wenn auch sehr nahe gelegener Kulturkreise, wenn es um die Frage politischer Einmischung von Kulturschaffenden geht? Und wie sehen sie die jeweilige politische Situation in ihren Ländern.

Italien Europa Österreich

Ort: Literaturhaus

Moderation: Günther Pallaver

Gespräch zwischen Angelo Bolaffi und Robert Menasse

Der EU-Gründungsstaat Italien und das junge EU-Mitglied Österreich sind Nachbarstaaten, die sich häufig fremd erscheinen. Die Wirtschaftsbeziehungen sind eng, die vor allem in Süd-Nord-Richtung zunehmenden Touristenströme mögen die Bewunderung für die jeweiligen Lebensstile fördern, nicht aber dem Abbau von Vorurteilen dienen. Der Informationsaustausch bleibt spärlich. Für jüngere Entwicklungstendenzen in der politischen Kultur gelten parallele Phänomene in beiden Staaten als beispielhaft: von da wie dort haben neue populistische Typen des Politischen (oder des Antipolitischen?) auf Europa ausgestrahlt. Trotz sehr verschiedener Medienlandschaften ist da wie dort eine Boulevardisierung der Berichterstattung festzustellen. EU-Skepsis in Österreich steht ein nahezu verklärter Blick auf "Europa" in Italien gegenüber, aber die Politik beider Länder gegenüber Nicht-Eu-Bürgern ähnelt sich: der Brenner präsentiert sich janusköpfig: während das Reisedokument für Staatsbürger beider Staaten hier an Wert verlor, wurde die Grenze für die "Sans Papier" zur Mauer. Themen, um die es an diesem Abend gehen wird.

Hedy Danneberg liest “Das Treffen in Telgte” von Günter Grass

Ort: Literaturhaus

Moderation: Michael Klein

1647 treffen sich die barocken Dichter für mehrere Tage, lesen einander vor, diskutieren über Dichtung, die politische Situation, Krieg und Frieden, saufen und verschwinden mit den Mägden im Heu ... Am Ende wird eine Resolution zum Westfälischen Frieden verabschiedet, doch sie verbrennt und verschwindet im Nichts. Grass verweist indirekt auf die Aktivitäten der Gruppe 47, die bei ihren Treffen auch derartige Resolutionen verabschiedet hat - aber sind sie nicht auch irgendwie verschwunden? Und ist andererseits nicht doch etwas davon geblieben?

Hedy Danneberg geboren in Wien. Schauspiel- und Regiestudium in Salzburg, Engagements an Wiener Kellertheatern und an der Wiener Josephstadt. Übersiedlung nach Innsbruck, Engagements im Theater 107, Kellertheater, Tiroler Landestheater.
Michael Klein, Gründer und jahrelanger Leiter des Innsbrucker-Zeitungsarchivs.