Ursula Krechel

Ort: Literaturhaus

Moderation: Johann Holzner

Shanghai fern von wo. Roman (Jung und Jung 2008)

„Da steht sie mitten in einer Restaurantküche in Shanghai und walkt den Teig, als ginge es um ihr Leben, und das tut es auch. Ein Strudel soll es werden, ein süßer natürlich, aber dann füllt sie, was noch übrig ist, mit zartem Gemüse, und auf einmal hat sie der chinesischen Küche etwas hinzuerfunden, was niemand mehr missen möchte: die Frühlingsrolle.“ Franziska Tausig aus Wien ist eine von vielen, und am Ende waren es achtzehntausend Juden, die seit 1938 eines der letzten Schlupflöcher nutzen und im fernen fremden Shanghai überleben konnten. Sie kamen ohne Visum und Illusionen, und wenn sie in dieser überfüllten Stadt und dem feucht drückenden Klima zurechtkommen wollten, waren Erfindungsgabe und Tatkraft gefordert. Nicht jeder war, nach dem, was hinter ihm lag und vor ihm, dazu imstande.

Von denjenigen, die den Krieg dort überlebten, haben viele Zeugnisse hinterlassen. Ursula Krechel hat sie studiert, über Jahre, ist auch kleinsten Spuren nachgegangen, unternahm Reisen, stellte Fragen: nach Aufbruchsstimmung und Rückschlägen, heiteren und verschatteten Gemütslagen, nach politischem Engagement in der Emigration und der neuerlichen Verlorenheit nach dem Ende des Krieges. Atemberaubend vielstimmig, vielschichtig erzählt sie davon und spannt einen weiten erzählerischen Bogen, der den Leser in eine Welt bringt, die einem näher ist als erwartet.

Krechel, Ursula

geboren 1947 in Tri­er, lebt in Berlin. Zahlre­iche Ausze­ich­nun­gen und Preise, zulet­zt erhielt sie 2012 den Orphil Lyrikpreis der Stadt Wies­baden. Pub­lika­tio­nen (Auswahl): Mit­tel­wärts. Roman (2006, zu Klam­p­en!), Shang­hai fern von wo. Roman (2008), Jäh erhellte Dunkel­heit. Gedichte (2010), Landgericht. Roman (2012), Geis­ter­bahn. Roman (2018 alle: Jung und Jung).

Ursu­la Krechel